Soldaten (und deren Angehörige) wissen: Nichts ist so beständig wie die Lageänderung und Versetzungen gehören zum normalen Soldatenalltag. In diesem Beitrag möchte ich meine Erfahrungen als ehemaliger Offizier mit dir teilen und dir eine realistische Perspektive anbieten. Denn ich wurde selbst versetzt und habe auch über Versetzungsanträge entschieden.
Das Thema Versetzungen betrifft in der Bundeswehr jeden Soldaten, denn:
- Entweder man möchte versetzt werden oder
- man möchte nicht versetzt werden.
Relativ einfach, oder…?
Dabei werden jedoch auch die versetzt, die nicht versetzt werden möchten und die wiederum nicht versetzt, die es sich so sehr wünschen. Und mit dem Wunschstandort klappt es dann doch wieder nicht.
Versetzungen – ein emotionales Thema
Umdenken: Familie und Dienst oder Dienst und Familie?
Die ehemalige Bundesministerin Ursula von der Leyen hat den Begriff Vereinbarkeit von Familie und Dienst zum geflügelten Wort gemacht; Stehlampe, Kühlschrank, Spielzimmer und Dienst vor der Haustür.
Viele Soldaten haben im Laufe der Jahre daraus ein Anspruchsdenken entwickelt und man kann ihnen auch keinen Vorwurf machen, denn es wurde aktiv so vorgelebt:
Der Dienstherr muss jederzeit gewährleisten, dass ich als Soldat meinen Dienst heimatnah und im Einklang mit meiner Familie und meinen persönlichen Belangen verrichten kann.
Das Wunschdenken vieler Soldaten aus vdL-Zeiten
Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Bundeswehr ist deutschlandweit vertreten und nicht jeder Soldat kann an seinem Wunschstandort Dienst leisten. Es gibt beliebte Standorte und weniger beliebte Standorte.
Dieses Anspruchsdenken (,,Die Bundeswehr muss…, sonst…“) ist also zu einem gewissen Punkt ungerecht und unkameradschaftlich, denn wenn jeder seinen Willen durchsetzen würde, würde die Bundeswehr nicht funktionieren. Die Panzerkompanie kann nicht zu dir nach Hause fahren, damit du deinen Dienst verrichtest und danach wieder abrücken. Das funktioniert offensichtlich nicht.
Deswegen hat ein Umdenken stattgefunden und mittlerweile heißt es wieder: Vereinbarkeit von Dienst und Familie. Der Dienst steht also für die Personalführung an erster Stelle.
Das heißt, der Dienst steht an erster Stelle und nicht mehr die Familie. Der Krieg in der Ukraine hat dazu beigetragen, dass dieses Umdenken stattgefunden hat. Es ist nicht möglich, jedem Soldaten alles durchgehen zu lassen. Daher ist es prinzipiell schwieriger geworden, Versetzungen durch persönliche Belange durchzubekommen.
Realistische Erwartungen
Der Beruf des Soldaten, egal ob Zeitsoldat oder Beamtenstatus, erfordert generell eine hohe Mobilität und Bereitschaft, sein Privatleben dem Dienst zumindest temporär unterzuordnen. Der Beruf ist im Umkehrschluss vergleichsweise gut bezahlt. Dies sollte man als eine Art ,,Schmerzensgeld“ verstehen, denn wenn es zum Schwur kommt, wird die Bereitschaft eingefordert.
Man schützt sich selbst vor großen Enttäuschungen, wenn man offen und flexibel bleibt und sich nicht zu sehr auf einen Standort oder eine bestimmte Verwendung ,,einschießt“.
Ehe-Partner einbeziehen und Wahrheit sagen
In meiner Zeit als Offizier habe ich immer wieder mitbekommen, dass es häufiger eine ,,Informationsablage“ zwischen den Soldaten und ihren Parner:innen gibt. Daher mein Rat:
Lieber zu Hause mit offenen Karten spielen und die Wahrheit erzählen, als falsche Hoffnungen machen und am Ende klappt es doch nicht mit der Wunschverwendung und dem Umzug zu Familie und Freunden. Dadurch steigt nur der Druck und psychische Stress, was sich auf die Gesundheit niederschlagen kann.
Gründe für einen Verwendungs- oder heimatnahen Standortwechsel
Versetzung ohne Dienstposten – DPÄK
Wenn am Wunschstandort aus den u.a. Gründen kein regulärer Dienstposten vorhanden ist, kann u.U. ein neuer temporärer Dienstposten geöffnet werden, ein sog. dienstpostenähnliches Konstrukt. Ob ein DPÄK genehmigt wird, entscheidet die Personalführung unter einer Abwägung der Interessen.
Persönliche Gründe – gute Gründe für eine Versetzung?
Hier kommt potentiell jeder Grund infrage und dieser Versetzungsgrund ist auch der häufigste.
- Stress in der Einheit
- Ermüdendes Pendeln am Wochenende
- Langeweile auf dem Dienstposten
- Karriereambitionen
- Kinder werden zu selten gesehen
Wichtig ist zu verstehen, dass die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf für jeden Menschen eine Herausforderung darstellt. Ob Single oder siebenfache Mama mit zu pflegenden Eltern.
Meine Erfahrung ist, dass oft überschätzt wird, was ,,normal“ ist. Im Truppenalltag hört man hier häufig pP (persönliches Pech) oder ,,Augen auf bei der Berufswahl“. Man sollte also immer erst einmal selbst schauen, dass man seine persönlichen Probleme geregelt bekommt, bevor man die Lösung beim Dienstherrn sucht.
Schwerwiegende persönliche Gründe
Diese sind in Vorschriften definiert und wie der Name bereits sagt – schwerwiegend. Ein Beispiel wäre die intensive Pflege eines Angehörigen ersten Grades, wobei sich die Pflegebedürftigkeit ergeben muss, also nicht schon seit Dienstantritt in der Bundeswehr bekannt sein muss.
In solchen Fällen sollte man sich unbedingt an den Sozialdienst der Bundeswehr wenden, wenn die eigenen Vorgesetzten nicht unterstützen können oder wollen.
Gesundheitliche Gründe
Eine Versetzung oder langfristige Kommandierung kann auch aus gesundheitlichen Gründen erfolgen, wenn bspw. die Therapie nur an einem bestimmten Standort, z.B. in der Nähe eines Bundeswehrkrankenhauses, sichergestellt werden kann. Oder wenn der der Soldat seine bisherige Tätigkeit aus psychischen oder physischen Gründen nicht länger wahrnehmen kann.
Oft vergessen und der Kern: Dienstliche Gründe
Klassisch erfolgt die Versetzung aus dienstlichen Gründen. Klar, die Bundeswehr möchte ihr Personal ja weiterentwickeln.
Warum ist eine Versetzung notwendig?
Gegen das System der Versetzungen ließe sich argumentieren, dass Soldatinnen und Soldaten ja grundsätzlich länger an einem Dienstort bleiben könnten, im Optimalfall irgendwo, wo es ihnen gefällt. Das ist naheliegend. Hier sind aus meiner Sicht einige Gründe, die für das regelmäßige Versetzen sprechen, auch wenn es für den Soldaten individuell nicht komfortabel ist:
- Standorte sind unterschiedlich beliebt; Fairness
- ,,Frischer Wind“ auf Dienstposten
- Erfahrungswissen und Austausch wird mehr verteilt in der Bundeswehr
- Seilschaften werden etwas eingedämmt
- Personalentwicklung und Pflichttore für bestimmte Karrieren
Tipps wie die Versetzung als Soldat gelingen kann
Versetzungstermine zum 01.04. oder 01.10.
Um den Verwaltungsaufwand zu bündeln und für die Soldaten mehr Planbarkeit zu schaffen, gibt es bei der Bundeswehr im Jahr nur zwei halbjährliche Versetzungstermine.
Im Optimalfall wird eine Versetzung immer zum vorherigen Versetzungstermin angekündigt, dass heißt, die Ankündigung einer Versetzung zum 01.10. erfolgt dann spätestens zum 01.04..
Oft erhält man eine sogenannte Vororientierung bzw. Ankündigung einer geplanten Versetzungsverfügung auch schon deutlich vor den sechs Monaten im Voraus.
Wenn die Partnerin den Job wechseln muss oder die Kinder die Schule wechseln, ist natürlich einiges an Vorlaufzeit notwendig. Das berücksichtigt die Bundeswehr entsprechend.
Heißt das nun, dass man ,,safe“ ist, wenn keine Versetzung zu den genannten Terminen angekündigt wurde? Leider nicht…
Versetzung mit vorangehender Kommandierung
Der Dienstherr kann den Soldaten aus dienstlichen Gründen auch vor dem offiziellen Versetzungstermin an einen anderen Dienstort kommandieren. Oftmals ergeht eine Versetzung sogar mit vorausgehender Kommandierung. In der Praxis ändert sich also nicht viel; man ist bei der Kommandierung genauso weg wie bei der Versetzung. Der einzige Unterschied ist, dass man bei einer Kommandierung noch seinen alten Dienstposten behält.
Kommandierung bedeutet in einfachen Worten: Der Dienstposten (also die ,,Stelle“ ist woanders als der Soldat.)
In der Praxis gibt es immer wieder Streitigkeiten, weil eine Kommandierungszeit oft nicht auf eine Versetzungszeit angerechnet wird; man also im Zweifel länger irgendwo Dienst leisten muss, wo man nicht sein möchte.
Tauschbörse Dienstposten Bundeswehr
Viele Soldaten wissen nicht, dass die Bundeswehr im Intranet ein eigenes Portal für Dienstpostenwechsel anbietet. Hier kann man laufbahnübergreifend Angebote und Gesuche einstellen. Ähnlich wie bei einem Wohnungstausch tauscht man den Dienstposten. Natürlich kann ein Feuerwerker nicht mit einem Heeresmusikoffizier tauschen. Daher ist dieselbe Qualifikation / Ausbildungs- und Verwendungsreihe notwendig.
Viele Soldaten wussten zu meiner aktiven Dienstzeit nicht vom Tauschportal. Entsprechend sind die Einträge rar gesät und man findet im Regelfall eher die unbeliebteren Standorte (im Gesamtvergleich) und nicht die Metropolen, wo sehr viele Soldaten gern hinmöchten.
Daher macht es Sinn auch außerhalb der Tauschbörse nach einem potentiellen Tauschpartner mit derselben Qualifikation zu suchen.
Versetzungsantrag als Soldat
Tipps wie das Versetzungsgesuch wahrscheinlicher durchgeht
- Vorher mit den Vorgesetzten sprechen und Gründe darlegen
- Tauschpartner mit gleichem Fähigkeitsprofil suchen und angeben
- Personalführer mit einbeziehen
- Mehrere Versetzungsanträge stellen, d.h. regelmäßig und in der Personalentwicklung angeben
- Evtl. Erwirken, dass im Versetzungsantrag auch ohne Ersatzgestellung versetzt werden kann, d.h. dass der Dienstposten nach der Wegversetzung nicht unmittelbar durch jemand anderen nachbesetzt werden muss. So entsteht mehr Flexibilität, weil der Nachfolger auf dem Dienstposten nicht sofort feststehen muss.
Wichtig ist, dass du deine Gründe gut und plausibel darlegst, damit deine Vorgesetzten entsprechend Stellung nehmen können. Hier kannst du das Beispiel eines Versetzungsantrags Soldat downloaden. Jedoch solltest du unbedingt die Aktualität im Formularmanagementsystem prüfen und das aktuellste Formular verwenden.
Anhand des Versetzungsantrags wird dir der Ablauf sicherlich auch etwas klarer. Grundsätzlich ist die Beteiligungshierarchie wie folgt:
Zugführer -> Kompaniechef (nächster Disziplinarvorgesetzter) -> nächsthöherer D-Vorgesetzter (i.d.R. Kommandeur) -> Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, ggf. unter Beteiligung von Ärzten oder externen Stellungnehmenden.
Gegen den Willen versetzt – kann man sich wehren?
Wichtig: Prophylaxe – wer sich nicht bewegt, der wird bewegt
Aus meiner Erfahrung ist es sinnvoll, sich rechtzeitig mit Dienstposten und Standorten zu beschäftigen, die zukünftig infrage kommen könnten und dann mit seinem Personalführer daraufhin zu arbeiten.
Es ist keine sinnvoll Strategie, sich an seinen Sessel zu klammern und zu hoffen, dass man nie wieder versetzt wird, weil die Personalführung einen vergessen hat. Denn gerade als junger Offizier oder Unteroffizier mit Portepee ist das der falsche Ansatz, der nur zwangsläufig zu Enttäuschung führen kann.
Auch bei der Bundeswehr kann man seine Zukunft aktiv gestalten, mit etwas Hartnäckigkeit und ,,Vorlaufzeit“.
Oft (leider) übersprungen: Prophylaxe – Das Gespräch mit den Vorgesetzten
Viele Soldaten unterschätzen leider, wie ihre eigenen Vorgesetzten ihnen helfen können. Wenn es bspw. darum geht, dass man sich nicht länger in seiner Teileinheit wohlfühlt oder wenn man mehr Flexibilität benötigt.
Kämpfe nicht, wenn du nicht gewinnen kannst
Wie bereits eingangs besprochen sind Versetzungen (neben Beurteilungen und Beförderungen) wahrscheinlich einer der häufigsten Streitpunkte in der Bundeswehr zwischen Soldat und Dienstherr. Daher solltest du dir gut überlegen, ob es Sinn macht, gegen eine ungeliebte Versetzung vorzugehen oder ob du nicht einfach deinen Frieden damit machst. Aus meiner Erfahrung haben Beschwerden und Eingaben hier nur wenig Aussicht auf Erfolg. Auch nicht mit anwaltlicher Hilfe.
Gegen eine Versetzung beschweren
Eine Beschwerde hat bei Versetzungsmaßnahmen grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Der Soldat wird also gegen seinen Willen versetzt, auch wenn parallel ein Beschwerdeverfahren läuft. Da es sich bei Personalmaßnahmen um eine Verwaltungsbeschwerde handelt, wird diese vom BAPersBw oder vom BMVg beschieden. Die truppendienstlichen Vorgesetzten werden dann ggf. um Stellungnahmen gebeten. Die Bearbeitungszeit beträgt aus meiner Erfahrung min. drei Monate.
Eingabe an die Wehrbeauftragte wegen Versetzung, großes Zinnober und Eilbrief an den Minister
Ebenso werden weitere Beschwerden, meiner Erfahrung nach, außerhalb der Wehrbeschwerdeordnung wenig Aussicht auf Erfolg haben. Da das dienstliche Interesse dem persönlichen Interesse überwiegt. Wäre dem nicht so, wäre die Versetzung vermutlich gar nicht lanciert worden.
Versetzung und Standort als Freiwillig Wehrdienstleistender
Als Freiwilliig Wehrdienstleistender (FWDL) leistest du als Soldat einen Dienst zwischen 6 und 23 Monaten. FWDL sitzen nicht wie Soldaten auf Zeit (SaZ) oder Berufssoldaten auf einem Dienstposten, sondern sind quasi ,,freie Radikale“ und werden bedarfsgerecht eingeplant. Es kann also vorkommen, dass beim Antritt der Grundausbildung noch nicht ganz klar ist, wo der FWDL im Anschluss Dienst leistet.
Der Vorteil ist, dass sich FWDL mit einem vereinfachten Versetzungsverfahren versetzten oder kommandieren lassen. Im Regelfall reicht ein Anruf von Kompaniefeldwebel zu Kompaniefeldwebel und der ,,Deal“ ist eingetütet, weil FWDL keine Stelle besetzten. Das macht vieles leichter.
Nichtsdestoweniger muss man auch hier nach dem Bedarf gehen. Es ist logisch, dass nicht alle FWDL in Hamburg oder Berlin Dienst leisten können und in Stetten a.k.M. gibt es dann keine Freiwilligen mehr.
Fazit zu Versetzungen
Die halbjährlichen Versetzungen gehören zum Dienstalltag in der Bundeswehr. Es ist wichtig, seine eigenen Erwartungen gut zu ,,managen“, um Enttäuschungen vorzubeugen. Ebenso hilft langfristige Planung dabei, ungeliebte Standortwechsel zu vermeiden.
Alles Gute! Egal ob du eine Versetzung abwenden oder an deinen Wunschstandort kommen möchtest. 🚛